Eine andere wichtige Neuerung betrifft den Umgang mit Fehlern. Sie gelten als normal und können auch der Schulleitung passieren. Diese Haltung hat dazu geführt, dass das Kollegium die neuen Freiheiten auch wirklich nutzt und zuversichtlich auf die nächste große Veränderung blickt: Lehrerinnen und Lehrer sollen regelmäßig gegenseitig hospitieren, um gemeinsam das Methodenspektrum zu erweitern und den Umgang mit ihren Schülerinnen und Schülern zu reflektieren.
Das ist auch deshalb wichtig, weil die Schülerzahl in den vergangenen zwei Jahren rasant gestiegen ist – von 230 auf 600. Nachdem die Heinrich-Heine-Schule im vergangenen Schuljahr jede Gelegenheit zum öffentlichen Auftritt genutzt hat, melden sogar Eltern aus der Innenstadt ihre Kinder an. Dass Halle-Neustadt mit seinen entmieteten grauen Plattenbauten und gesichtslosen Einkaufszentren als sozialer Brennpunkt gilt, ist in den Hintergrund gerückt. Auf Facebook hat die Heinrich-Heine-Schule 1040 Likes – so viele, wie sonst keine Haller Schule. Und nach dem letzten Schulfest registrierte Torsten Hinze sensationelle 18.000 Aufrufe.
Außerdem sind 120 Flüchtlingskinder zur Heinrich-Heine-Schule gestoßen. Ein internationales Team aus sieben Lehrkräften, darunter auch ein paar Quereinsteiger, unterrichtet die Mädchen und Jungen in Start-, Alphabetisierungs- und Fortgeschrittenen-Klassen. Wer sprachlich fit genug ist, wechselt in die Regelklasse. Auch hier lässt sie Schulleitung viele Freiheiten. „Die Haltung ist: Wir müssen gute Lösungen finden“, sagt die 29-jährige Deutsch- und Englisch-Lehrerin Judith Bülz, die das DAZ-Team leitet und vom Gymnasium abgeordnet ist.
Eine solche Lösung kann manchmal auch Strenge sein. Abfällige Bemerkungen über Mitschülerinnen und Lehrerinnen sanktioniert die Schule sofort. Die damit verbundene Klarheit hat sich bewährt. Gleichzeitig beziehen die Lehrerinnen und Lehrer die Flüchtlingskinder bewusst in den Unterricht ein. „Wir behandeln viel mehr aktuelle Themen, wie Syrien und fremdenfeindliche Anschläge“, sagt Sarah vom Schülerrat. Auf diese Weise klappt die Integration gut: „Wir sind eine moderne Schule. Da wird nicht getrennt.“
Auch die Eltern stehen den neuen Mitschülerinnen und Mitschülern mehrheitlich wohlwollend gegenüber. „Und wenn es Probleme gibt, weiß die Schule damit umzugehen“, sagt Elternvertreterin Anja Meyer, deren Tochter die sechste Klasse besucht. Auch sie selbst fühlt sich von der Schule angenommen. Die Lehrerinnen und Lehrer geben Telefonnummern raus und über die Schul-App erfahren die Eltern alles Wichtige. Bei einem Unterrichtsausfall erscheint sogar ein Ausrufezeichen auf dem Handy. „Die Schule denkt Elternsorgen mit und erleichtert die Organisation“, sagt Anja Meyer, die allein erzieht.