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ICILS 2023

Studie zu digitalen Kompetenzen zeigt deutliche Leistungsunterschiede bei Schüler:innen auf

Alle fünf Jahre wird die „International Computer and Information Literacy Study“ kurz ICILS durchgeführt, eine internationale Schulleistungsstudie, die die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schüler:innen der achten Klassen untersucht. An der Studie nehmen neben Deutschland 34 weitere Länder, davon 22 EU-Mitgliedsstaaten, teil. Im Herbst dieses Jahres wurden nun die Ergebnisse der jüngsten Untersuchung veröffentlicht und sie zeichnen für Deutschland ein ambivalentes Bild, das durch ein starkes Leistungsgefälle charakterisiert ist.

Worum geht es eigentlich?
Um die Kompetenzen der Schüler:innen zu bewerten, wird ein computerbasierter Kompetenztest eingesetzt, der aus sieben Testmodulen mit einer Bearbeitungszeit von jeweils 30 Minuten besteht. Alle Schüler:innen bearbeiten dabei zwei der Module. Die Module wiederrum bestehen aus fünf bis acht kleineren Aufgaben, die jeweils etwa eine Minute Bearbeitungszeit beanspruchen, sowie einem größeren Aufgabenblock, der etwa 15 bis 20 Minuten Zeit benötigt. Im Kern ermittelt der Test, ob Schüler:innen u.a. in der Lage sind, Informationen selbstständig zu ermitteln, sicher zu bewerten und anspruchsvolle Informationsprodukte zu erzeugen. Anhand der ermittelten Ergebnisse werden die Schüler:innen fünf Kompetenzstufen zugeordnet, wobei Kompetenzstufe V die höchste ist.

Erhebliche Leistungsunterschiede
Grundsätzlich muten die Ergebnisse für Deutschland erst einmal nicht schlecht an, die mittleren computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Achtklässler:innen liegen mit 502 Punkten über dem internationalen Mittelwert. Doch schon im Vergleich zu 2018 folgt ein erstes „aber“, wurden hier von den Schüler:innen noch 518 Punkte erreicht. Wenn man nun die Verteilung innerhalb der Kompetenzstufen betrachtet, relativiert sich das Gesamtergebnis weiter. So ist der Anteil derjenigen Jugendlichen, die nur die beiden unteren Kompetenzstufen erreichen und damit über sehr geringe Fähigkeiten im kompetenten Umgang mit digitalen Medien verfügen, im Vergleich zu 2018 von 30 auf über 40 Prozent gestiegen. Was das praktisch bedeutet, konkretisiert die Leiterin der Studie Prof. Dr. Birgit Eickelmann. So können Jugendliche in den unteren Kompetenzstufen „auf dem Tablet nicht mehr als klicken und wischen. Das heißt, sie können beispielsweise einen Link finden und anklicken, aber die Information nicht einordnen und bewerten.“

Was noch auffällt
Daneben zeigt sich, dass die Leistungsspitze (Kompetenzstufe V) von nur etwa einem Prozent der Schüler:innen erreicht wird. Was die Studie in dem Zusammenhang auch deutlich macht: bei Achtklässler:innen an Gymnasien liegt der Kompetenzstand im Bereich der internationalen Spitzengruppe. Gymnasiast:innen erreichen im Mittel 559 Punkte. Im Gegensatz dazu sind bei den nicht-gymnasialen Schulformen der Sekundarstufe I die Kompetenzstände im Mittel unterdurchschnittlich. Hier werden 472 Punkte erreicht. In der Studie wird konstatiert, dass an Gymnasien „ein deutlich und signifikant höheres mittleres Kompetenzniveau“, vorliegt als bei gleichaltrigen Schüler:innen anderer Schulformen. 

Dabei zeigen sich in der Studie nicht nur Kompetenzunterschiede zwischen Gymnasien und anderen Schulformen, wenn es ums Digitale geht. Auch innerhalb der Schüler:innenschaft zeigen sich Differenzen. So fallen die ermittelten Kompetenzwerte zuungunsten von Schüler:innen mit Zuwanderungshintergrund, ebenso wie Schüler:innen mit einer anderen Familiensprache als Deutsch sowie Schüler:innen mit benachteiligter sozialer Herkunft aus. In diesen Schüler:innengruppen erreichen 50 Prozent und mehr nur die untersten beiden Kompetenzstufen. Problematisch dabei: im Vergleich zu den vorhergehenden Studien sind die Unterschiede teils noch größer geworden. 

Digital na(t)ive?
Auch wenn die ICILS 2023 eine Querschnittsstudie ist, und nicht die Beschreibung kausaler Zusammenhänge erlaubt, so sieht die Leiterin der Studie in den gesammelten Daten dennoch Hinweise auf Entwicklungspotenziale. So könnten digitale Medien noch mehr für die Unterstützung von Lernprozessen genutzt werden. Daneben bestehen auch nicht für alle Schulen die notwendigen Rahmenbedingungen für ein digitales Lernen und Miteinander. Etwa ein Drittel der Schulen kann den Schüler:innen kein WLAN zum Lernen bereitstellen. Auch adaptive Lernsysteme sind noch wenig verbreitet. Besonders hebt Prof. Dr. Birgit Eickelmann hervor, dass Schulen in herausfordernden Lagen noch wesentlich mehr generelle Unterstützung benötigen, um pädagogisch-technologische Innovationen überhaupt anzugehen. 

Davon ab werfen die Ergebnisse der Studie eine wesentliche Frage auf: ist die Idee des digital natives, also vereinfacht gesprochen einer Person, die in einer digitalen Welt aufwächst und durch tägliche Nutzung und Ausprobieren digitaler Tools Schlüsselkompetenzen erwirbt, realistisch? 

Zumindest darf man daran zweifeln, denn wie Prof. Eickelmann feststellt, wird „das ganze Alltagsleben der Kinder und Jugendlichen digitaler. Doch diese Entwicklung führt offensichtlich nicht automatisch zu besseren Kompetenzen.“

Weitere Informationen: 

Interview mit Prof. Dr. Birgit Eickelmann

Studie ICILS 2023 zum Download