In Sachsen-Anhalt setzen sich seit 2008 Akteur:innen aus Schule, Jugendhilfe und Kommune gemeinsam dafür ein, dass alle Kinder und Jugendlichen gleichen Zugang zu hochwertiger Grund- und Sekundarbildung erhalten. Ziel ist es, alle Schüler:innen in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen und besonders diejenigen professionell aufzufangen, denen der Schulabbruch droht.
Ausgangslage
Kinder und Jugendliche wachsen in unterschiedlichen Lebensbedingungen bzw. Lebenswelten auf. Bundesweit ist zeitweilig oder permanent jedes dritte Kind bzw. Jugendlicher der Gefahr ausgesetzt, von der sozialen Teilhabe und der Perspektive, eigenständig einen positiven Lebensentwurf zu gestalten, abgehängt zu werden. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2013) Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen ist dabei unmittelbar mit der familiären Situation verknüpft (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2020): Die finanziellen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie Bildungsabschlüsse und Arbeitssituation der Sorgeberechtigten wirken direkt auf die Kinder und Jugendlichen. 2,88 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gelten in Deutschland als armutsgefährdet.
Sachsen-Anhalt liegt mit 25,2 Prozent in der Armutsgefährdungsquote 4,4 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. „Aufwachsen in Armut begrenzt, beschämt und bestimmt das Leben von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – heute und mit Blick auf ihre Zukunft.“ (Bertelsmannstiftung, 2023) Neben dem markanten Faktor „Armut“ können bei Kindern und Jugendlichen weitere Risikofaktoren zum Tragen kommen. Trennungskonflikte innerhalb der Familie, Kindeswohlgefährdungen, Erwartungsdruck oder übermäßige Kontrolle und Überfürsorglichkeit von Sorgeberechtigten zählen im gleichen Maße dazu wie Lernschwierigkeiten, soziale Konflikte zwischen Schüler:innen oder auch temporäre Krisen. Die unterschiedlichen Risikofaktoren werden in ihrer Summe wirksam und führen dazu, dass Situationen für Kinder und Jugendliche nicht mehr aushaltbar sind und sich psychische Belastungssituationen ergeben. (Deutsches Schulportal, 2023)
Schulsozialarbeiter:innen, verantwortet von freien und öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, bieten Unterstützungs- und Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche aller Schulformen, deren Sorgeberechtigte und die pädagogischen Fachkräfte in Schule an. In Krisensituationen intervenieren und vermitteln sie und setzen präventive Maßnahmen ein, um Konfliktsituationen zu verhindern. Schulsozialarbeiter:innen tragen zu einem motivierenden und lernförderlichen Klima bei und schaffen Räume für soziales Lernen sowie Teilhabemöglichkeiten. Sie öffnen Schule in den Sozialraum, beraten pädagogische Fachkräfte und unterstützen Sorgeberechtigte bei aufkommenden Fragen rund um das Wohl ihrer Kinder. Im Rahmen des Programms wird das partnerschaftliche Kooperationsmodell zwischen Jugendhilfe und Schule gefördert.
Die regionalen Netzwerkstellen für Schulerfolg (NWST) vernetzen Akteur:innen, Institutionen und Ämter aus dem schulischen und außerschulischen Bereich in allen elf Landkreisen und drei kreisfreien Städten in Sachsen-Anhalt. Von unterschiedlichen Trägern der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe getragen, sensibilisieren sie für eine gemeinsame Verantwortung beim gelingenden Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, knüpfen und vermitteln Kontakte zu unterstützenden Akteur:innen und beraten (sozial)pädagogische Fachkräfte bei Themen rund um Schule und Jugendhilfe. Die Förderung des fachlichen Austauschs zwischen den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gehört ebenso zu ihren Aufgaben, wie die Mitwirkung in regionalen Fachgremien. Die NWST ermitteln zudem die Bedarfe für bildungsbezogene Angebote, die sie initiieren und umsetzen, z. B. Peer-Learning-Projekte, Skill-Trainings.
Die landesweite Koordinierungsstelle Schulerfolg sichern (KOST) moderiert auf Landesebene die Programmentwicklung. Gemeinsam mit dem Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt, den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, sozialpädagogischen Fachkräften sowie Partner:innen aus der Wissenschaft und der Verwaltung entwickelt sie die Qualität des Programms weiter. Sie fördert ganz konkret den professionellen Austausch und die Vernetzung unter Peers (Schulsozialarbeit, regionale Akteur:innen) und initiiert bedarfsbezogen fachliche Inputs, thematische Qualifizierungsformate und den Zugang zu geeigneten Expert:innen. Sie berät zudem Akteur:innen aller Ebenen bei Herausforderungen und entwickelt partizipativ und interaktiv Lösungsansätze, die sie in Beratungsprozessen kontinuierlich weitergibt bzw. durch die Öffentlichkeitsarbeit (z.B. in Handreichungen) professionell multipliziert. Darüber hinaus trägt sie für die landes- und bundesweite Öffentlichkeitsarbeit des Programms Verantwortung.
2008 startet das Programm „Schulerfolg sichern“ in Sachsen-Anhalt. Ziel war es, durch die Kooperation von Schule und Jugendhilfe Schüler:innen bei einer erfolgreichen Bildungsbiografie zu unterstützen und insbesondere diejenigen in den Blick zu nehmen und zu begleiten, deren Schulabschluss gefährdet ist.
Ganz konkret wurde in den Schulen die Möglichkeiten für den Einsatz von Schulsozialarbeit geschaffen sowie in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Netzwerkstellen für Schulerfolg und eine landesweite Koordinierungsstelle implementiert. Die Förderperiode wurde aus Mitteln der Europäischen Union sowie des Landes Sachsen-Anhalt umgesetzt.
Das Land Sachsen-Anhalt sicherte die nahtlose Fortführung des ESF-Programms „Schulerfolg sichern“ ab dem 01. August 2015. Aufgrund der Bedarfslage der Schulen sowie der Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung von Prof. Dr. Olk und Prof. Dr. Karsten Speck wurden die Stellen für Schulsozialarbeit von 200 auf 380 ausgebaut. Um den präventiven Charakter des ESF-Programms stärker herauszustellen, wurde der Einsatz von Schulsozialarbeit an Grundschulen insbesondere forciert.
Das letzte Schuljahr innerhalb des Bewilligungszeitraums vom 01. August 2018 bis 31. Juli 2022 erfolgte durch die Finanzierung von REACT-EU-Mitteln. Die Förderlinie REACT-EU hatte das Ziel, die Krisenbewältigung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und ihrer sozialen Folgen zu unterstützen und insbesondere Brücken in die Zukunft zu bauen, um gestärkt aus der COVID-19-Pandemie hervorzugehen.
Wissenschaftliche Begleitung
Die Erfahrungen aus den unterschiedlichen Programmmodulen von Schulerfolg sichern sind in Sachsen-Anhalt umfangreich und in besonderer Intensität wissenschaftlich begleitet und evaluiert worden.
2012: Erkenntnisse der wissenschaftlichen Begleitung
Die wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen „nachweisbare quantitative und qualitative Erfolge bei Projektschulen mit Schulsozialarbeit“. Sie machen deutlich, dass Schulsozialarbeit nicht ausschließlich dazu dient, Schulversagen zu vermeiden bzw. die Quote des vorzeitigen Schulabbruchs zu senken, sondern vielfache positive Auswirkungen - auf Kinder und Jugendliche als auch auf das System Schule - hat. Zudem zeigt die Untersuchung, dass die regionalen Netzwerkstellen für Schulerfolg „eine wichtige Funktion in der Initiierung und Vernetzung von Angeboten gegen Schulversagen und vorzeitigen Schulabbruch an der Schnittstelle des Bildungs- und Sozialbereiches hatten.“
Für die Zukunft der Schulsozialarbeit ist es wichtig, vorbeugende Maßnahmen, wie zum Beispiel Förderung von präventiven Ansätzen, Ausbau der außerschulischen Kooperationen sowie die Entwicklung der kommunalen Bildungslandschaft und die Öffnung von Schulen zu berücksichtigen. Alle weiteren Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung sind im Endbericht einsehbar.
Bericht der wissenschaftlichen Begleitung (PDF)
2019: Befunde der Fokusevaluation
Die Untersuchungen bewerten „Schulerfolg sichern“ als „leistungsfähiges, lernendes Programm [..] mit dem Schulen dabei unterstützt werden, vorzeitige Schulabbrüche zu vermeiden und den individuellen Bildungserfolg zu verbessern.“ Die Programmstruktur wird auch nach Jahren der Laufzeit als innovativ gesehen. Global gesehen trägt das Programm dazu bei, dass erfolgreiche Bildungsbiografien ermöglicht werden und so ein sozialer, territorialer und politischer Mehrwert entsteht, der weit über die einzelnen Regionen hinausreicht.
Als konkrete Handlungsempfehlungen werden unter anderem das Schaffen von stabilen Situationen für Schulsozialarbeitende an Schule oder der Ausbau von Präventions- und Fördernetzwerken auf Landesebene benannt. Konkrete Einblicke in die Befunde der einzelnen Programmmodule sind im Abschlussbericht benannt.
Abschlussbericht der Evaluation (PDF)
2023: Fokusevaluation „Schulerfolg sichern digital“
Im Ergebnis kommt die Fokusevaluation zu dem Schluss, dass „[…]das Programm dazu beigetragen hat, die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern und über gezielte Angebote Impulse zu geben, um Schule sowohl digital als auch analog zu einem Ort zu gestalten, der Kindern und Jugendlichen langfristige Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bietet.“
Programmakteur:innen sehen durch „Schulerfolg sichern digital“ auf allen Ebenen eine Professionalisierung digitalen Arbeitens und gestärkte Kompetenzen im Themenfeld schulische Medienbildung. Schulsozialarbeitende konstatieren, über ein besseres Verständnis für die digitale Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zu verfügen.
Abschlussbericht der Evaluation (PDF)