Welche spannenden und durchaus auch umsetzbaren Ideen Kinder und deren Sorgeberechtigte für Schule entwickeln können, zeigt das Modellprojekt zusammen.wachsen. Im Rahmen dieses Projekts haben sich die Ganztagsgrundschule und die Europagrundschule „Am Stadtsee“ aus Stendal gemeinsam mit Landesschulamt, SozialStärken e.V. und der landesweiten Koordinierungsstelle Schulerfolg sichern für ein Schuljahr auf neues Terrain gewagt. Mit dem Ziel, durch verbesserte Zusammenarbeit mit Sorgeberechtigten, Schule noch mehr zu einem Ort zu machen, an dem sich Kinder sicher und angenommen fühlen und ihre Fähigkeiten entdecken können.
Kennenlernen als Katalysator
Schon in der Auftaktveranstaltung im September 2023 wird deutlich, dass es weit mehr Möglichkeiten gibt, Sorgeberechtigte und Schule zusammenzubringen, als nur mit klassischen Elternabenden. Ein bunter Mix aus Lehrer:innen, pädagogischen Fachkräften, Schüler:innen und Sorgeberechtigten findet sich im Musikforum Katharinenkirche in Stendal zusammen und sorgt zum Start des Projekts für eine lebendige Atmosphäre. Im Fokus der Veranstaltung steht das Kennenlernen – voneinander, von Perspektiven. Schließlich sind der Kern gelingender Kooperation Verständnis und Miteinander. So werden die Grundsteine für die folgenden Monate gelegt, in denen SozialStärken e.V. den Entwicklungsprozess beider Schulen begleiten wird. Die Prozessbegleitung ermittelt dabei zunächst die Bedarfe der Sorgeberechtigten, Lehrkräfte und Schüler:innen, wobei deutlich wird, dass diese sich durchaus wünschen, mehr an der Gestaltung des Schullebens teilzuhaben und das auch regelmäßig.
Also passiert genau das.
Statt nur bei Problemen oder wichtigen Entscheidungen zusammenzukommen, treffen sich – moderiert durch die Prozessbegleitung – in den folgenden Monaten regelmäßig Steuergruppen an beiden Schulen. Dort diskutieren Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und Schulleitung mit Sorgeberechtigten über die Gestaltung des Schulalltags.
Zwei Wege, ein Ziel
An der Europagrundschule „Am Stadtsee“ bedeutet dies die Einführung eines Speed-Datings. Um die Zusammenarbeit zwischen Schule und Familien zu stärken und einen besseren Überblick über die vielfältigen Unterstützungsangebote in der Umgebung zu schaffen, werden Vertreter:innen lokaler Einrichtungen und Initiativen eingeladen. Jugendamt, Opferschutzberatung der Polizei, Vertreter:innen des Programmes „Bildung und Teilhabe“ Stendal, der Jugendclub Eckstein sowie die Familienberatungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sind an einem Nachmittag eingeladen, um sich mitsamt Angeboten den Familien und der Schule in lockerer Atmosphäre vorzustellen.
Die Ganztagsgrundschule Stendal hingegen legt den Fokus auf die Erweiterung des Ganztagsangebots und gewinnt neue Kooperationspartner:innen. Neben Sprachkursen und Ergotherapieangeboten sollen für das Schuljahr 2024/25 Kochkurse durch die Freiwilligen-Agentur Stendal AG im Nachmittagsbereich angeboten werden, um Schüler:innen und Sorgeberechtigte vermehrt an Schule teilhaben zu lassen und den Austausch untereinander zu fördern.
Mittendrin statt nur dabei
Maßgeblich für das Modellprojekt ist die Rolle der Schüler:innen, die an beiden Schulen nicht nur teilnehmen, sondern auch das Geschehen gestalten. An der Europagrundschule „Am Stadtsee“ zeigen sie im Rahmen von Workshops, was ihnen an ihrer Schule wichtig ist, wie z.B. die Sauberkeit des Gebäudes. Sie machen Vorschläge für die Schulhofgestaltung und setzten sich für neue Bücher in der Schulbibliothek ein. Auch an der Ganztagsgrundschule Stendal sind die Schüler:innen entscheidend eingebunden: Sie wirken bei der Auswahl neuer Angebote für den Ganztag mit.
Potenziale und Perspektiven
Gefühlt sind es nur ein paar Wimpernschläge vom Auftakt im September 2023 bis zum Impuls- und Entwicklungsworkshop im Mai 2024, der den Abschluss des Modellprojekts bildet. Hier wird durch Schulleitung und Schüler:innen noch einmal der Blick zurückgeworfen und das Erreichte reflektiert. Daneben stellt eine Berliner Schulpreisschule Möglichkeiten für partizipative Schulentwicklungsprozesse vor und zeigt den langen Weg auf, den die Schule gegangen ist. Deren Erkenntnis: gelingende Zusammenarbeit, sowohl im Schulkollegium als auch in der Kooperation mit Sorgeberechtigten, ist kein einmaliges Ereignis. Sie ist ein kontinuierlicher Prozess, der auf gegenseitigem Vertrauen und Offenheit basiert. Wertschätzende Haltung untereinander sowie der unbedingte Einbezug von Kindern sind dabei die Grundvoraussetzung.
Aus den Reflexionen und Impulsen der Schlussveranstaltung leiten Elternvertretungen, Erzieher:innen, Kinder sowie Schulleitung im weiteren Verlauf konkrete Vorhaben für das kommende Schuljahr ab. So sollen u.a. ein Kinderparlament an der Europagrundschule initialisiert, individualisierte Unterrichtssettings gefördert und „Fortbildungssnacks“ für Lehrkräfte in der Ganztagsgrundschule eingeführt werden. Somit scheint nach einem Jahr zusammen.wachsen der Weg bereitet, wie es eine Teilnehmende auf den Punkt bringt: „Sollte sich diese Zusammenarbeit in den jeweiligen Schulen weiterhin etablieren, kann dies langfristig dazu beitragen, die Schulen als lebensnahe Orte für alle Beteiligten zu etablieren. Hierbei gilt es jedoch auch, die Schüler:innen mindestens über die gewählten Schülervertreter:innen (Klassensprecher:innen) in den Prozess mit einzubeziehen, deren Bedürfnisse wahrzunehmen und bedarfsgerechte Angebote zu schaffen.“